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42 - Försterstraße 28

„Judenhaus“

Schon bald nach den Wahlen vom 5. März 1933 wurden mehrere einschneidende, antisemitische Maßnahmen im Kontext der Gleichschaltung von der nationalsozialistischen Regierung gesetzlich verankert und damit rechtlich legitimiert. Die Folge waren alltägliche Diskriminierungen, Boykottmaßnahmen sowie die Entfernung jüdischer Angestellter aus dem öffentlichen Dienst. Eine neue Qualität der Unterdrückung brachten die ”Nürnberger Rassegesetze” vom 15. September 1935.Das ”Gesetz zum Schutz des deutschen Blutes und der deutschen Ehre” verbot beispielsweise Eheschließung und außerehelichen Geschlechtsverkehr zwischen Juden und ”Staatsangehörigen deutschen oder artverwandten Blutes”. Das Reichsbürgergesetz unterschied zwischen ”Reichsbürgern als Trägern der vollen politischen Rechte” (dies konnte kein Jude sein) und bloßen ”Staatsangehörigen” und machte so die Juden zu Bürgern zweiter Klasse. Bei den Gerichten häuften sich die Anklagen wegen Vergehens gegen das ”Blutschutzgesetz”.

Eine besondere historische Zäsur markierte die sog. Reichspogromnacht. Nach den Pogromen am 09. und 10 November 1938 verschärfte sich das nationalsozialistische Vorgehen gegenüber der jüdischen Bevölkerung und verlagerte sich sukzessive von jener formaljuristischen Ausgrenzung und Diskriminierung hin zu einer exekutiven Verfolgungspolitik.

Auf formaljuristischer Ebene wurde noch in der unmittelbaren zeitlichen Folge auf die Pogrome der wirtschaftliche und existentielle Niedergang der Jüdinnen und Juden gesetzlich festgesetzt. Mit der „Verordnung über den Einsatz des jüdischen Vermögens“ vom 03. Dezember 1938 wurden jüdische Bürger*innen nicht nur gezwungen, ihre Geschäfte und Gewerbebetriebe zu verkaufen, und die im Kontext der Arisierung häufig zu Spottpreisen. Vielmehr hatte diese Verordnung auch die Enteignung von Devisen und Grundbesitz in jüdischer Hand zur Folge.

Durch das Gesetzt über die „Mietverhältnisse mit Juden“ vom 30. April 1939 wurde der Mietschutz für jüdische Menschen aufgehoben, wodurch die bereits aus ihren Wohnungen und Häusern vertriebenen Jüdinnen und Juden noch mehr der Willkür der NS-Behörden und der „arischen“ Mitbürger*innen ausgesetzt wurden. Jüdischen Mieter*innen konnte gekündigt werden, sofern „Ersatzwohnraum“ nachgewiesen werden konnte. Ferner konnten jüdische Mieter*innen zur Unterbringung von jüdischen Untermietern aufgefordert werden. Somit wurde eine Zusammenlegung jüdischer Menschen im Kontext einer Ghettoisierung bereits von Seiten der NS-Führung intendiert. „(…) Nach Möglichkeit (sei) so zu verfahren, daß Juden in einem Haus zusammengelegt werden, soweit die Mietverhältnisse dies gestatten würden“, so Göring.[1]

Innerhalb der NS-Funktionäre herrschte indes jedoch Uneinigkeit bezüglich der konkreten Umsetzung der Ghettoisierung der jüdischen Bevölkerung im deutschen Reich. Während Göring für eine Errichtung von Ghettos plädierte, stellte sich Reinhard Heydrich, SS-Obergruppenführer und Leiter des Reichssicherheitshauptamtes (RSHA), dagegen, da er Schwierigkeiten bei der polizeilichen Überwachung befürchtete. Er sprach sich für die Errichtung von sog. Judenhäusern auf deutschem Gebiet aus.

Ab Herbst 1939 wurde die Internierung der jüdischen Bevölkerung auf diesem dezentralen Weg umgesetzt. Auf Anweisung der zuständigen Gestapo wurden die Jüdinnen und Juden in Gebäude wie Kindergärten, Schulen oder ehemaligen Fabriken, die notdürftig und häufig unter menschenunwürdigen Umständen zu Wohnzwecken ertüchtigt wurden, eingewiesen.

In Aachen setzte der Rat der Stadt dieses Vorhaben zum 1. April 1941 um, wobei auch hier zunächst wirtschaftliche Erwägungen im Vordergrund standen, indem jüdisches Eigentum dem „Nutzen der Volksgemeinschaft“ zugeführt wurden.

In Aachen wurden einige Häuser als sog. Judenhäuser eingerichtet. Es handelte sich um folgende Adressen: Königstraße 22, Eupenerstraße 249, Promenadenstraße 21 und Triererstraße 285. Im August 1941 erwarb die Stadt zusätzlich das Gebäude in der Alexanderstraße 95 „zur Unterbringung von Juden“.[2] Auch das Jüdische Altenheim in Kalverbenden wurde in die regionallogistische Struktur der nationalsozialistischen Konzentrationsvorhaben der jüdischen Bevölkerung integriert. Am Grünen Weg 12 wurde ein sog. Judenlager errichtet, in dem hunderte Menschen interniert und von dort aus deportiert wurden.

In der Försterstraße 28 wurde ein Haus zur Internierung von Familien, die im Nazijargon in 'privilegierter Mischehe' lebten, eingerichtet, wobei es sich in diesem Fall beinahe ausnahmslos um kinderlose Ehepaare mit jüdischem Ehemann handelte.

Das Haus wurde im Rahmen der weiteren Erschließung des Lousbergs 1905 von Karl Leopold Brach, welcher aus Saarlouis stammte und 1904 als Amtsgerichtsrat in Aachen tätig war, erbaut. Nach seinem Ruhestand 1926 betätigte er sich noch als Syndikus an der RWTH. Karl Brach war Mitglied – seit 1908 Vorstandsmitglied - im hiesigen Alpenverein, bis er schließlich 1937 aufgrund des Arierparagrafen ausgeschlossen wurde.

1941 wurde der Grundbesitz der Familie Brach enteignet. Fortan wurden sie gezwungen, mit mehreren, ihnen teilweise fremden Familien auf engstem Raum zusammen zu leben. Mindestens 11 Familien wurden in das „Judenhaus“ eingewiesen. Die Eheleute selbst bezogen dabei lediglich ein Zimmer, welches sie zusätzlich mit der Schwester von Emmy Brach teilten.

Mithilfe der Deportationslisten sowie der Entschädigungsakten der betroffenen Jüdinnen und Juden können nach gegenwärtigem Forschungsstand mindestens 23 Personen in der Försterstraße 28 verortet werden. Eine überlieferte Anordnung an Oskar Heumann belegt überdies die Nutzung der Försterstraße 28 als sog. Judenhaus:

"Auf Anordnung der Kreisleitung müssen Sie Ihre jetzige Wohnung verlassen. Es ist Ihnen Wohnraum in der Försterstraße 28, im Hause des Herrn Amtsgerichtsrats Dr. Brach zugewiesen. Mit Ihnen sollen weitere fünf kinderlose Ehepaare, die in Mischehe leben, dort Wohnung beziehen. Der Umzug muss bis zum 09. September 1941 beendet sein. Der Ihnen seitens des Herrn Amtsgerichtsrats Dr. Brach zugewiesene Wohnraum wird so klein sein, dass Sie nur das Allernotwendigste an Mobiliar und Wäsche mitnehmen können. (…) Nach Angabe der Kreisleitung ist diese Anordnung unabänderlich."[1]

Das enge Zusammenleben – viele Ehepaare teilen sich einen Raum des Hauses, welcher durch Möbelstücke nur optisch getrennt wurde - in Verbindung mit der quälenden Ungewissheit sowie dem stetigen Verfolgungsdruck durch die NS-Exekutivorgane führte indes zu Spannungen und Konflikten unter den Bewohner*innen, welche Gegenstand von Ermittlungen des zuständigen Staatspolizeistellen-Beamten Walter Bockmühl wurden.  

Nur wenige der Bewohner*innen wurden Deportationszügen zugeführt. Das Ehepaar Brach und Elisabeth Rauch am 25. Juli 1942 nach Theresienstadt, wo sie in den folgenden Monaten verstarben. Die Familie Schönbrunn wurde bereits am 15. Juni nach Majdanek bzw. Sobibor deportiert, wo sich ihre Spur verliert. Oskar Heumann wurde am 07. September 1942 in Aachen inhaftiert und verstarb in Haft. Leo Struch verstarb am 06. Februar 1943 in Auschwitz, nachdem er zuvor von der Gestapo inhaftiert und in der Folge in den Osten deportiert wurde. Aufgrund jener Vorkommnisse, die häufig in Deportation und Tod mündeten, beging Karl Hirsch aus Verzweiflung im November 1942 Selbstmord.

Die weiteren Bewohner*innen des Hauses blieben zunächst von den Deportationen verschont. In einer koordinierten Aktion wurden sie zwischen dem 11. Und 12. September 1944 im Zuge der heranrückenden Front nach Köln Müngersdorf verbracht, von wo aus für viele der Betroffenen eine Odyssee in diverse Lager begann. Mindestens 11 Personen überlebten dennoch die Shoah.

[1] Heim, Susanne (Bearb.): Deutsches Reich 1938 – August 1939, München 2009, (= Die Verfolgung und Ermordung der europäischen Juden durch das 
nationalsozialistische Deutschland 1933–1945, hrsg. Bd. 2) S. 583.


[2] Lepper, Herbert: Von Der Emanzipation zum Holocaust. Die israelitische Synagogengemeinde zu Aachen 1801-1942. Aachen 1994, Nr. 1111.

[3] Landesarchiv NRW, BR 3007, Nr. 16, Bl. 74.

Ergänzende Literatur:

Clahsen, Helmut: Mama, was ist ein Judenbalg? Eine jüdische Kindheit in Aachen 1935–1945, Aachen 2003.

Lepper, Herbert: Von Der Emanzipation zum Holocaust. Die israelitische Synagogengemeinde zu Aachen 1801-1942. Aachen 1994.

Heim, Susanne (Bearb.): Deutsches Reich 1938 – August 1939, München 2009, (= Die Verfolgung und Ermordung der europäischen Juden durch das
nationalsozialistische Deutschland 1933–1945, hrsg. Bd. 2), S. 583.

    

 

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