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Aktuelles

Anna Sittarz

Auf dem kleinen Platz an der Einmündung der Mauer- in die Königstraße, dem Anna-Sittarz-Platz, steht ein kleiner, weiß gestrichener Kiosk, heute ein Schnellimbiss. Vor dem 2. Weltkrieg konnte man hier frische Milch und Zeitungen kaufen. In den dreißiger Jahren war er an Anna Sittarz verpachtet. In der Nazi-Zeit war er eine Zeit lang Anlaufstelle für den Widerstand gegen die Diktatur.
Wegen der Nähe zur Grenze hatte Aachen eine große Bedeutung für den antifaschistischen Widerstand. Verbotene Organisationen und politische Parteien, die ins benachbarte Ausland geflohen waren und von dort aus aktiv waren, konnten ganz gut Kontakt zu den im Untergrund lebenden Mitgliedern halten. Informationsmaterialien wie Zeitungen, Bücher oder Flugblätter, die in Deutschland verboten waren und natürlich auch nicht gedruckt werden durften, wurden bis an die Grenze im Aachener Wald gebracht. Nachts, zwischen zwei Kontrollgängen der Zöllner, kamen dann Menschen aus Aachen, holten die Pakete ab und brachten sie zu verabredeten Verteilerstellen, die sich zum Beispiel in dem Kiosk an der Königstraße befanden und so gut getarnt waren. Solche kleinen Geschäfte oder Handwerksbetriebe eigneten sich besser als private Wohnungen. Denn wenn dorthin zahlreiche Menschen als Kundschaft kamen, so war das viel weniger auffällig, als wenn so viele Menschen in einem Wohnhaus ein und aus gehen würden. Manchmal wurden die auf dünnem Papier gedruckte Flugblätter auch zusammengerollt im Gestänge eines Fahrrads über die Grenze gebracht.

Von Aachen aus wurden die Informationsschriften dann in der näheren Umgebung, aber auch bis nach Köln oder ins Ruhrgebiet verschickt oder durch Kuriere gebracht. Neben den streng kontrollierten offiziellen Grenzübergängen gab es viele kleine, unbeobachtete Passagen. Diese Wege waren bei den Einwohnern aus der Umgebung bekannt und wurden mehrfach genutzt, um gefährdete Personen, wie politisch Verfolgte oder Juden, ins sichere Ausland zu bringen.

Anna Sittarz wurde 1892 in Aachen geboren und arbeitete in einer der Aachener Tuchfabriken als Weberin. Fünf Jahre lang, bis 1929 gehörte sie als Vertreterin der Kommunistischen Partei dem Stadtrat an. Nach der Machtübernahme durch die Nazis 1933 wurde sie erstmals wegen illegaler politischer Tätigkeit verhaftet. Ihr Milchkiosk war als Umschlagplatz für illegales Material aufgeflogen. Vier Jahre später wurde sie mit 20 weiteren Widerstandskämpfern vor Gericht gestellt und zu 27 Monaten Zuchthaus wegen Vorbereitung zum Hochverrat verurteilt. Selbst nach ihrer Entlassung wurde sie ständig von der Gestapo überwacht. Trotzdem setzte sie sich auch dann noch für andere Verfolgte ein. Anna Sittarz war in den letzten Kriegstagen in Aachen geblieben. In einem Tagebuch beschrieb sie die schwierigen Lebensbedingungen in dieser Zeit. Nach der Befreiung im Oktober 1944 nahm sie Kontakt zum amerikanischen Ortskommandanten auf und zählte schließlich auch zu den Initiatoren des ”Freien Deutschen Gewerkschaftsbundes”, der im März 1945 in Aachen als erste demokratische Gewerkschaft der Nachkriegszeit gegründet wurde. Doch bleiben viele ihrer Überlegungen und Ziele in den Ansätzen stecken: Anna Sittarz kam am 24. April 1945 bei einem Autounfall in der Nähe von Aachen ums Leben.

    

Zwangsarbeiter

Auf dem Westfriedhof erinnert ein Gedenkstein an 148 sowjetische Zwangsarbeiter, die dort begraben sind. 1944 arbeiteten in Deutschland 7,1 Mill. ”Fremdarbeiter” oder vielmehr Zwangsarbeiter. Sie stammten aus allen Ländern in Europa, die von deutschen Truppen während des Krieges besetzt worden waren, vor allem aus Polen, der Sowjetunion und Frankreich. Die Zwangsarbeiter wurden in 4 Gruppen eingeteilt, die sich auch nach der Art der Behandlung unterschieden:

  1. Arbeitskräfte aus West- und Nordeuropa
  2. Arbeitskräfte aus ”nichtgermanischen”, befreundeten Ländern
  3. Polen
  4. Ostarbeiter (aus der Sowjetunion)

Am schlimmsten erging es polnischen und sowjetischen Zwangsarbeitern. In Aachen tauchten die ersten Zwangsarbeiter schon 1939 nach dem Überfall der Wehrmacht auf Polen auf. Während des Krieges waren in Aachen ständig etwa 2.500 Zwangsarbeiter tätig. Sie waren ab 1942 untergebracht in einem großen Sammellager am Grünen Weg sowie in einer Reihe kleinerer Lager, die sich auf dem Betriebsgelände größerer Aachener Firmen befanden.

Die Behandlung der Zwangsarbeiter in den verschiedenen Firmen war unterschiedlich. In einigen Firmen wurden sie von der Belegschaft in Patenschaft genommen und zum Beispiel aus eigenen Beständen mit Lebensmitteln versorgt. In anderen Firmen durften sie bei Bombenangriffen nicht einmal die Unterstände aufsuchen. Über das Schicksal der Toten, die auf dem Westfriedhof ruhen, ist wenige bekannt. Sie arbeiteten in der Umgebung von Aachen und sind nach dem Krieg dort zusammengelegt worden. Bei einigen deutet das Sterbedatum auf die Einwirkung von Bombenangriffen, bei anderen liegt die Vermutung nahe, daß sie aufgrund der Entbehrungen gestorben sind, denen sie bei ihrer Zwangsarbeit in Aachen ausgesetzt waren.

    

Bunker

Im Januar 1941 wurde an verschiedenen Stellen in der Stadt mit dem Bau von Bunkern begonnen. Für den Bau war die städtische Bauverwaltung verantwortlich, welche die Aufträge an ortsansässige Firmen vergab, diese setzten meist Zwangsarbeiter für den Bau ein. Die Bunker wurden nie völlig fertig gebaut. Sie gaben der Bevölkerung Schutz vor Angriffen, doch die Gestaltung der Fassaden wurde nicht umgesetzt. Außer den Hochbunkern gab es noch unterirdische Stollen und Splitterschutzgräben.

Bunker gab es in der Monheimsallee (unterirdische), Römerstraße, Südstraße, Kongressstraße, Saarstraße, Fringsgraben, Junkerstraße, Sandkaulstraße, Kasinostraße, Zeppelinstraße, Scheibenstraße, Lütticher Straße, Rütscherstraße, Försterstraße und Rehmannstraße.

Nach dem Krieg dienten einige Bunker als Wohnungen, bis heute sind sie im Stadtbild zu finden, z.B. als Musikbunker, umgebaut zu Wohnungen oder als leerstehende Gebäude.

    

Joseph Buchkremer

Joseph Buchkremer und Dr. Theol. Heinrich Selhorst sollen hier als Beispiele einer Vita eines Geistlichen stehen. Das Verhalten der Menschen in der katholischen Kirche war sehr vielschichtig und soll in einem weiteren Abschnitt dargestellt werden. Schon kurz nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten hatte die Partei ein Auge auf Buchkremer geworfen, der als Stadtjugendseelsorger in Aachen tätig war. Die Nationalsozialisten wollten die Jugend für sich gewinnen und sie in ihre Verbände aufnehmen und da war jeder „Konkurrent“ ein Feind der zunächst beobachtet werden müßte um abzuwägen wie gegen ihn vorgegangen werden sollte.

Im Frühjahr 1935 wurde Buchkremer mit Unterrichtsverbot belegt, nachdem er denunziert worden war. Er beschwerte sich darauf hin beim Regierungspräsidenten Reeder. Der ihm erklärte: er habe dies unterschrieben um Schlimmeres zu verhüten, das die Partei gegen ihn vor hatte. Buchkremer selbst, beschreibt Reeder als einen alter Kämpfer, aber einen rechtlich denkenden Menschen. Ein halbes Jahr später bekam Buchkremer eine Vorladung vor das politische Sondergericht nach Köln. Wieder war es der Regierungspräsident der für ihn eintrat. Durch sein persönliches Eintreten wurde das Verfahren niedergeschlagen. Das Verfahren war zwar niedergeschlagen, aber damit war noch lange nicht alles vorbei. Von nun an stand Buchkremer unter ständiger Bewachung und wurde wiederholt von der Gestapo vorgeladen. Dies hörte auch nicht auf als er 1937 als Pfarrer nach Herzogenrath-Straß ging.

Ergänzungsliteratur:

Hugot-Zgodda, Yvonne: Joseph Buchkremer, in: Volkshochschule Aachen (Hrsg.): Beiträge zur Geschichte des Nationalsozialismus in Aachen,
Aachen 2012.

    

Stummer Protest

Die Aachener Heiligtumsfahrt wird seit dem Mittelalter alle sieben Jahre veranstaltet. Bei ihr verehren Katholiken verschiedene Reliquien, die im Aachener Dom aufbewahrt werden. Die Heiligtumsfahrt 1937 hatte einen besonderen Charakter. War die katholische Kirche den Nazis gegenüber vor 1933 öffentlich ablehnend gegenüber eingestellt, änderte sich ihre offizielle Haltung nach nach dem Reichskonkordat, das die weltliche Politik zwischen dem nationalsozialistischen Deutschland und dem Heiligen Stuhl regeln sollte.

Warnten noch vor 1933 Bischöfe und Priester in ihren Predigten die Gläubigen vor dem Nationalsozialismus, so riefen sie die Katholiken später ”zur Treue gegenüber der rechtmäßigen Obrigkeit” auf. Gleichzeitig hatten beide Systeme einen konträren Totalitätsanspruch an die einzelnen Personen, die Unvereinbarkeit zwischen Katholizismus und Nationalsozialismus fiel in weltpolitischen Fragen stark auf. 

Die Kompromissbereitschaft der katholischen Kirche gegenüber der nationalsozialistischen Regierung blieb als mäßigender Versuch katholische Strukturen zu erhalten langfristig ohne Erfolg. Die Politik der Nazis wandte sich immer mehr gegen die katholische Kirche. Priester wurden von der Gestapo, der Geheimen Staatspolizei, beobachtet und mussten sich für ihre Predigten verantworten, gleichzeitig gab es Geistliche, die mit dem NS-System sympathisierten. Durch die wechselhafte Politik der katholischen Kirche wurden viele Gläubige in ihrer Haltung zum NS-Staat stark verunsichert. 

Die Vereinheitlichung des öffentlichen Lebens und der sogenannte Kirchenkampf der Nationalsozialisten führte letztlich dazu, dass immer mehr Klöster geschlossen, Ordensleute vertrieben und kirchliche Vereine aufgelöst werden mussten. Vor dieser politischen Auseinandersetzung fand 1937 wieder eine Heiligtumsfahrt in Aachen statt. In der Vorbereitungsphase hatten die Kirche zunächst sogar überlegt, die Veranstaltung abzusagen.

Sie befürchtete, dass wegen der kirchenfeindlichen Propaganda der Nazi-Partei vielleicht nur wenige Gläubige nach Aachen kommen würden. Außerdem behinderten die Behörden fast alle Vorbereitungen. Werbung durfte nur eingeschränkt gemacht werden, es gab kein offizielles Heiligtumsfahrtbüro, es fehlten Unterkünfte und die Genehmigungen für öffentliche Predigten. Die Zahl der Pilger, die dann kamen, übertraf allerdings alle Erwartungen. Auch wenn die Zahl von etwa 800.000 bis 1.000.000 Wallfahrern nie offiziell bestätigt wurde, so ist zahlreichen Quellen und auswärtigen Zeitungen zu entnehmen, dass 1937 eine der meistbesuchten Heiligtumsfahrten stattfand. Die Nazi-Presse, wie der „Westdeutschen Beobachter“ in Aachen, schwieg die Heiligtumsfahrt tot. Schon im Vorfeld hatte dieses Blatt Spottgedichte und abfällige Berichte veröffentlicht.

Auffällig war, dass sich unter die Gläubigen auch andere Aachener mischten, die damit ihren Protest gegen die Nazis demonstrieren wollten. Kirchenlieder wurden mit veränderten, nazi-feindlichen Texten gesungen. Die Predigten von Bischöfen, deren ablehnende Haltung den Nazis gegenüber bekannt war, wurden besonders stark besucht. Allerdings waren nicht wenige Menschen auch von ihren Bischöfen enttäuscht, weil die Predigten vollkommen unpolitisch gehalten waren. Ganz im Gegensatz zu ihrem sonstigen Auftreten, waren Parteimitglieder in Uniform während der Heiligtumsfahrt nicht in der Stadt zu sehen. Auch die Polizei hielt sich auffällig zurück. Die Aachener Heiligtumsfahrt von 1937 ging als der „Stumme Protest“ in die Geschichte ein. Sie zeigte, dass die katholische Kirche zwar in der Lage war, ihre Gläubigen in großer Zahl zu mobilisieren, dass sie gleichzeitig aber unfähig oder nicht bereit war, sich in der Öffentlichkeit gegen die Diktatur auszusprechen.

Ergänzungsliteratur:

Casteel, Winfried; Hugot-Zgodda, Yvonne: Stummer Protest - die Heiligtumsfahrt 1937, in: Volkshochschule Aachen (Hrsg.): Beiträge zur Geschichte des
Nationalsozialismus in Aachen, Aachen 2012.

    

Zeugen Jehovas

In der Gaststätte gegenüber von dieser Tafel gab es vor dem II. Weltkrieg einen Saal, der ganz unterschiedlichen Vereinigungen als Treffpunkt diente. In regelmäßigen Abständen trafen sich hier auch die Bibelforscher, wie seiner Zeit die Zeugen Jehovas genannt wurden. Im Aachener Raum gehörten dem Kreis ungefähr 50 Personen an. Ihre gesellschaftliche Akzeptanz änderte sich mit der Machtübernahme ganz erheblich. 1933 wurde die Religionsgemeinschaft verboten und konnte nur im Untergrund überleben. Nach ihrem Verständnis von Christentum verlangten sie von ihren Mitgliedern eine strikte politische Neutralität. Jegliche Form der Unterstützung einer parteinahen Organisation, die Übernahme von Arbeiten in Rüstungsbetrieben oder die Ableistung des Wehrdienstes lehnten sie daher ab. Ihre Einstellung drückte sich außerdem darin aus, dass sie den Hitlergruß als offizielle, verpflichtende Grußformel nicht anwendeten. Daraufhin stuften die Partei alle Bibelforscher als Staatsfeinde ein. Ziel ihres Widerstand war jedoch nicht der politische Umsturz, sondern das Beharren auf Religions- und Gewissensfreiheit.

Als die ersten Sanktionen bekannt geworden waren, trafen sich die Bibelforscher nur noch Privat zu Bibelabenden und zur Planung von bestimmten Aktionen. So gab es große Flugblattaktionen in denen sie auf Details von Verhaftungen und den Zuständen in den Lagern hinwiesen. Trotz vieler Sanktionen gelang es der Organisation aber stets, ihre Mitglieder mit Literatur, die im Ausland oder im Untergrund gedruckt worden war, zu versorgen. Von der relativ kleinen Aachener Gruppe sind nur wenige Einzelschicksale bis heute zu bekannt. Fast alle sind früher oder später von der Gestapo entdeckt, verhaftet, verhört und in die Konzentrationslager gebracht worden. Dort trugen sie die gleichen gestreiften Anzüge wie die übrigen Häftlinge, allerdings mit einem lila Winkel am Oberarm. Misshandlungen und Erschießungen, die als Exempel an ihnen in den Lagern statuiert wurden, sollten die Bibelforscher unter Druck setzen. Ihre Briefe an die Angehörigen versah die Lagerverwaltung mit einem speziellen Stempel, der sie weiterhin „hartnäckige Bibelforscher“ einstufte. Für die Adressaten war daran aber deutlich zu erkenne, dass sie an ihrer Überzeugung festhielten.

Die Verhaftungen zerissen die Familien, Väter verschleppte man in die Lager, die Mütter wurden schikaniert und erhielten keine öffentliche Unterstützung. Nachdem man den Eltern das Sorgerecht von Staats wegen entzogen hatte, kamen die Kinder in eine Pflegefamilie in einer anderen Stadt. Eine erste Auswertung für den Aachener Raum ergab, dass jeder Vierte in eine Lager verschleppt und jeder Zehnte seine Einstellung mit dem Leben bezahlte. Diese Zahlen entsprechen ungefähr dem landesweiten Durchschnitt.

Ergänzende Literatur:

Grabenkamp, Horst: Zeugen Jehovas, in: Volkshochschule Aachen (Hrsg.): Beiträge zur Geschichte des Nationalsozialismus in Aachen, Aachen 2012.

    

Das Erbgesundheitsamt

Im Haus Grenzwacht, dem Hochhaus am Bahnhofsplatz, waren seit seiner Eröffnung zahlreiche städtische Ämter untergekommen. Während der nationalsozialistischen Herrschaft befand sich hier das städtische Gesundheitsamt (darunter fiel auch das 'Erbgesundheitsamt'). Als Aufsichtsbehörde über alle Ärzte und Krankenhäuser in Aachen setzte das Gesundheitsamt die Bestimmungen der nazistischen Gesundheitspolitik um. Bereits kurz nach der Regierungsübergabe an die Nationalsozialisten ebnete das NS-Regime die künftige Gesundheitspolitik. 

Dazu gehörte zum Beispiel das im Juli 1933 erlassene „Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses“, in dessen Folge vermeintlich 'erbbelastete' Menschen zwangsweise sterilisiert werden konnten. Die rassistischen und sozialdarwinistischen Änderungen legten die rechtlichen Grundlagen dafür, dass Menschen, die nicht in das Weltbild der NS-Rassenhygiene passten, durch pseudobiologische Bestimmungen verfolgt, sterilisiert bzw. unfruchtbar gemacht werden konnten und letztlich in die Tötungsanstalten deportiert wurden.

Das Erbgesundheitsamt arbeitete mit an der Umsetzung dieser menschen-verachtenden Gesetze. 90% der Anträge auf Zwangssterilisation wurden von den Ärzten der Gesundheitsämter gestellt. Seit 1934 stuften Ärzte mehrere hundert Frauen, Männer und Kinder in Aachen als „minderwertig“ ein und ordneten ihre Zwangssterilisation an. Diese Eingriffe wurden operativ oder mit Röntgenbestrahlung in einem der Aachener Krankenhäuser vorgenommen. Allein das katholische Marienhospital führte keine Zwangssterilisationen durch, da sich die katholische Kirche aus ethischen Gründen dagegen ausgesprochen hatte.

Spätestens ab 1940 begann dann die systematische Ermordung behinderter und kranker Menschen. Im Rahmen der sogenannten Aktion T4 wurden Behinderte und Kranke auch aus Aachen in besondere Anstalten wie Hadamar, Grafeneck, Sonnenstein oder Bernburg deportiert und dort, oft nach grausamen medizinischen Experimenten, ermordet.

Ergänzende Literatur:

Seipolt, Harry: Mord an Behinderten, in: Volkshochschule Aachen (Hrsg.): Beiträge zur Geschichte des Nationalsozialismus in Aachen, Aachen 2012.

Seipolt, Harry: ... kann der Gnadentod gewährt werden. Zwangssterilisation und NS-"Euthanasie" in der Region Aachen, Aachen 1995.

Lenzen, Dieter: Zwangssterilisation und Euthanasieverbrechen im Kreis Monschau, Düren 2021.

    

Nazi-Recht

Der amtierende Landgerichtspräsident wurde im Oktober 1933 in den Ruhestand versetzt und durch einen Nationalsozialisten ersetzt. 1943 wurde auch dieser abgelöst, da er sich, wegen der Eingabe von Rechtsbrüchen, bei der Partei unbeliebt gemacht hatte. Neben den üblichen Strafprozessen gab es auch Vorgänge vor den neu gegründeten Gerichten wie:
Erbgesundheitsgericht – Fragen zur Sterilisation von angeblich Schwachsinnigen, Tauben, Missgebildeten, Tbc- und Leprakranken
Sondergericht – Geschehen mit „volkszersetzenden Gedanken“ wie z.B. Flugblätter, Witze, Aufrufe
Standgericht – eine Art Militärgericht.

Im April 1944 wurde das Gerichtsgebäude bei einem Angriff stark zerstört. Im Oktober zerstörten die Amerikaner bei ihrer Besetzung zahlreiche Aktenbestände. Im Frühjahr 1945 erhielt Aachen als erstes deutsches Gericht die Erlaubnis der Militärregierung, die Gerichtsbarkeit über deutsche Staatsangehörige auszuüben, zunächst beschränkt auf zivilrechtliche Angelegenheiten.

  

 

Bekennende Kirche

Aachen ist eine katholisch geprägte Stadt. Der Anteil der Protestanten an der Bevölkerung Aachens betrug 1933 etwa 9 Prozent, in Deutschland insgesamt waren es über 60 Prozent. Nach der Machtübernahme traten innerhalb der Evangelischen Kirche Gegensätze zwischen Befürwortern der Nazis und Gegnern stärker hervor. Eine Gruppe waren die „Deutschen Christen“ mit dem Reichsbischof Müller an der Spitze, die der neuen Nazi-Regierung positiv gegenüber standen. In Aachen wurden durch den Pfarrer Karl Friedrich Zahn alle evangelischen Jugendverbände in die Hitler-jugend überführt. Das kam bei den Nazis so gut an, dass Zahn schon bald darauf als Reichsjugendpfarrer nach Berlin beordert wurde. Die Aachener Staatspolizeistelle beschrieb in einem Bericht über die Stimmung in der Stadt den „Gau der Glaubensbewegung deutscher Christen [in Aachen] als einen der beste Gaue“ überhaupt. So ist es auch nicht verwunderlich, daß bei innerkirchlichen Wahlen in Aachen im Juli 1933 die „pro Nazis“ eingestellten „Deutschen Christen“ die meisten Stimmen erhielten. Aber es gab auch Gegenstimmen. So gründeten die 1933 bei diesen Wahlen durchgefallene Emmi Welter zusammen mit dem evangelischen Geistlichen Paul Friedrich Staudte den „Gemeinde-Notbund“, aus dem später die Bekennenden Kirche hervorging. Bei dieser innerkirchlichen Bewegung ging es zunächst weniger um Politik als um die Bewahrung der evangelischen Lehre, vor allem was die von den Nazis geforderte sogenannte „Entjudung“ der Bibel anging. Staudte wurde immer stärker unter Druck gesetzt und trat schließlich offiziell aus der „Bekennenden Kirche“ aus.

Diese Auseinandersetzung zwischen den „Deutschen Christen“ und der „Bekennenden Kirche“ bestimmte die Diskussionen innerhalb der Evangelischen Kirche in Aachen. Eine Spaltung der evangelischen Gemeinde war nicht mehr abzuwenden. Anhänger der „Bekennenden Kirche“ wurden von innerkirchlichen Ämtern ausgeschlossen. Immer mehr Protestanten traten aus der Kirche aus, mehr, als Sonntags von den Kanzeln der Kirchen verlesen werden konnten. 1941 wurde ein Geistlicher, der sich zur „Bekennenden Kirche“ bekannte, unter dem Vorwurf des politischen Widerstandes verhaftet. Dies führte schließlich zur Selbstauflösung der „Bekennenden Kirche“ in Aachen.

    

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